Mit dem vielfach ausgezeichneten Roman „Die Straße” von Cormac McCarthy, steht bei uns wieder ein postapokalyptischer Roman im Mittelpunkt der Betrachtung. In diesem Roman erleben wir die Geschichte eines Vaters und seines Sohnes, welche nach einer Katastrophe durch die untergegangenen Vereinigten Staaten reisen. Auf der Flucht vor der Kälte und umherziehender Kannibalen, erhoffen sich Vater und Sohn bessere Überlebenschancen an der Küste. Die beschwerliche und gefährliche Reise hat im Gegensatz zu vielen anderen postapokalyptischen Dystopien nichts Heroisches an sich. Es gibt keine Heldenreise oder einen charismatischen Protagonisten, der es trotz aller Widrigkeiten schafft, in einer sterbenden Welt seinen Platz zu finden. Es geht ums nackte Überleben, um das Leid und die Gefahren, die eine Apokalypse zur Folge haben.
Der Autor bedient sich bei der Beschreibung der Katastrophe dem Prinzip „weniger ist mehr”. Wir erfahren nichts Konkretes über die Katastrophe. Wir wissen lediglich, was die Protagonisten darüber wissen, und das ist nicht viel. Daher versucht man, sich aus den einzelnen Fragmenten, die man im Laufe der Geschichte über die Katastrophe erfährt, ein eigenes Bild davon zusammen zu reimen, was passiert sein könnte. Atomangriff? Meteoriteneinschlag? Vulkanausbruch? Vermutlich war das vom Autor gar nicht beabsichtigt, legt die Geschichte doch nahe, dass auf ausladende Erklärungen zur Katastrophe verzichtet wurde, um den Fokus stärker auf die beiden Protagonisten zu legen. Trotzdem werden beim Leser immer wieder Vermutungen und Denkprozesse zur Katastrophenursache angestoßen. Sie trinken aus einem Fluss, was auf keine Radioaktivität schließen lässt. Die Welt ist düster und gefroren ‒ wenig Sonnenlicht aufgrund von Teilchen in der Atmosphäre? Das wiederum könnte auf einen Meteoriten oder einen Vulkanausbruch hindeuten.
Hobby-Autoren könnten sich das Prinzip beim Verfassen eigener dystopischer Romane zu Nutze machen: Bewusst das alles verändernde Ereignis auszusparen und nur gelegentlich ein kleines Detail darüber zu offenbaren, kann neben der Haupthandlung für Spannung und Aufmerksamkeit beim Leser sorgen. Darüber hinaus vermeidet man eventuelle Logikfehler, Lücken oder physikalische Ungereimtheiten. Hätte das besagte Ereignis wirklich zu der von mir beschriebenen Welt geführt? Weniger kann also wirklich manchmal mehr sein.