Der Aufbau von Juli Zehs Roman Corpus Delicti ist beispielhaft für das Genre der klassischen Dystopie. Aktuelle Entwicklungen wie Bevormundung durch den Staat oder Gesundheits- und Fitnesstrends werden zu einer dystopischen Zukunft gesteigert. Dies gipfelt in eine Gesellschaft, die die Gesundheit der Bewohner im Mittelpunkt stellt.
Der Staat, der METHODE genannt wird, ist eine Gesundheitsdiktatur, welche ihren Bürgern einen strikten Ernährungs- und Fitnessplan vorgibt und sämtliche gesundheitsschädigenden Mittel verboten hat.Auch die Figurenentwicklung folgt dem bekannten Muster. Die Protagonistin Mia wandelt sich durch ein einschneidendes Erlebnis im Laufe der Geschichte von einer METHODEN-Befürworterin in eine Gegnerin. Als Biologin ist sie zudem gut in das System eingebunden.
Besonders an diesem Roman ist das Setting einer Gerichtsverhandlung, im Rahmen derer die Protagonistin Mia ihren Kampf gegen das System austrägt. So muss sie sich, anders als in vielen anderen dystopischen Romanen, nicht mit der Exekutive auseinander setzen, die versucht Systemgegner ausfindig und unschädlich zu machen, sondern mit der Judikative, die das rechtliche Gerüst und die Begründungsinstanz des Systems ist. Dabei ist der Schreibstil so kühl und distanziert wie das System selbst.
Corpus Delicti erfüllt die besondere Aufgabe einer jeden Dystopie, indem die Geschichte Fragen aufwirft, die wir uns in unserer jetzigen Gesellschaft stellen müssen. Wo endet meine persönliche Freiheit und wo fängt die Fürsorgepflicht des Staates an? Inwieweit steht das Allgemeinwohl über dem Wohl des Einzelnen? Ist ein gesundes Leben gleichzeitig ein gutes Leben, und wer bestimmt, was ein gesundes Leben ist?