Sitzt du manchmal vor einem Satz und schiebst die Wörter hin und her, unschlüssig darüber, welche Position am geeignetsten an dieser Stelle ist? Du bist nicht allein, denn in der deutschen Sprache erfordert der kreative Prozess ständig, dass man Entscheidungen bezüglich der Wortstellung fällt. Die subtilen Unterschiede machen Muttersprachler in der täglichen Interaktion ganz unbewusst – doch bei dem Versuch, gezielte Effekte zu erzielen, können die Intuitionen gehörig ducheinandergeraten. Daher stelle ich in diesem Beitrag einige Details zur deutschen Satzstruktur vor, mit denen die Frage der besten Wortposition bewusster beantwortet werden kann.
Insbesondere möchte ich das Bewusstsein für die feinen Unterschiede der deutschen Sprache schärfen. Zum Beispiel hat der unten stehende Satz a. zwei mögliche Lesarten, wohingegen bei b. nur eine davon möglich ist. In b. ist das Gehen ein langsamer Prozess, in a. kann das ebenfalls gemeint sein oder aber „langsam“ bedeutet, dass die Aktion des Nach-Hause-Gehens in kurzer Zeit geschehen soll.
a. Sie möchte langsam nach Hause gehen.
b. Sie möchte nach Hause langsam gehen.
Die Positionen im deutschen Satz
Für Autoren ist ein grundlegendes linguistisches Wissen über die Textsprache sehr vorteilhaft. Es stärkt das Verständnis und die Intuitionen auf zahlreichen Ebenen. Daher ermutige ich jeden, sich durchaus noch weiter mit der vereinfachten Darstellung der Theorien zu beschäftigen.
Der Satz teilt sich im Deutschen in fünf grundlegende Felder. Diese definieren sich anhand der Verben. Im Hauptsatz steht das finite (gebeugte) Verb an zweiter Stelle und alle Partizipien oder Infinitive stehen entweder ganz hinten oder an vorletzter Stelle, wenn längere Teile wie Nebensätze nach ganz hinten verschoben werden.
Vorfeld | finit / Subj. | Mittelfeld | andere Verbformen | ganz hinten | |
1. | Der Antagonist | hat | dem Protagonisten an den Klippen der Wahrheit | gedroht | dass er ihn besiegen wird. |
2. | Hat | der Antagonist dem Protagonisten an den Klippen der Wahrheit | gedroht | dass er ihn besiegen wird? | |
3. | dass | der Antagonist dem Protagonisten an den Klippen der Wahrheit | gedroht hat | dass er ihn besiegen wird. |
Die Besetzung der Felder bestimmt zunächst, welche Art von Satz wir haben. In Satz 1 steht das Subjekt im Vorfeld, womit der Satz einen normalen Aussagesatz darstellt. In 2. beginnt der Satz mit dem finiten Verb, womit wir im Deutschen eine Frage ausdrücken. In 3. haben wir einen Nebensatz, bei dem eine Subjunktion anstelle des finiten Verbs steht und das finite Verb sich zu den anderen Verbformen nach hinten gesellt. Diese Satztypen zeigen, wie wir die Positionen verwenden, um unterschiedliche Bedeutungen auszudrücken, obwohl wir dieselben Wörter verwenden.
Topik
Ein wesentlicher Bestandteil der Informationsstruktur ist die Wahl eines sogenannten Topiks für jeden einzelnen Satz. So wie jeder Diskurs ein Thema hat, so hat auch ein Satz ein Thema, das Topik, also das, worüber der Satz eine Aussage tätigt. Im Deutschen verwenden wir häufig das Vorfeld als Position für das Topik. Die folgenden Sätze unterscheiden sich genau darin, worüber der Satz handelt. In a. ist es Mrs. Atwood, in b. Mr. Gibson. Der Inhalt der Sätze unterscheidet sich nicht, denn in beiden Fällen leben die zwei Personen miteinander.
a. Margaret Atwood lebt mit Graeme Gibson zusammen.
b. Graeme Gibson lebt mit Margaret Atwood zusammen.
Bestimmte Adverbiale setzen in der Vorfeldposition auch einen Rahmen für das Gesagte, also wann die Aussage gilt wie in c. Eine bewusste Verwendung der Position hilft nicht nur dabei, die Story zu strukturieren, sondern leitet den Leser wie ein roter Pfaden. Abweichungen davon können zudem für besondere Effekte sorgen.
c. Am Freitag hielt J. K. Rowling eine Ansprache über die Institutionalisierung von Kindern.
Mittelfeld
Das Deutsche lässt im Mittelfeld sehr viele Reihenfolgen in der Wortstellung zu, die jeweils eine andere Bedeutungskomponente tragen. Der Fokus im Satz liegt auf der neuen Information, der im Deutschen durch Akzent oder eben durch Änderung der Grundwortstellung angezeigt wird. In b. scheint es wichtiger zu sein, dass ein Kind Opfer des Teufels war, wobei in c. eher die Nase und in d. eher der Teufel im Fokus steht. Da Fokus allerdings von vielen Faktoren bestimmt wird, kommt es hier sehr stark auch auf den Kontext an, in dem eine Variante auftritt. Als Autor sollte man die Möglichkeiten realisieren, um sich dann konkret den Konsequenzen einer Entscheidung bewusst zu sein.
a. Gestern hat der Teufel dem Kind die Nase geklaut.
b. Gestern hat der Teufel die Nase dem Kind geklaut.
c. Gestern hat dem Kind der Teufel die Nase geklaut.
d. Gestern hat dem Kind die Nase der Teufel geklaut.
e. Gestern hat die Nase der Teufel dem Kind geklaut.
f. Gestern hat die Nase dem Kind der Teufel geklaut.
Zweideutigkeiten
Wie in dem ersten Beispiel bereits zu sehen war, können Wortstellungsvarianten nicht nur die Struktur der Information, sonder auch die Bedeutung beeinflussen. Vor allem bei Adverbialen ist das der Fall, die je nach Position eine andere Wirkung entfalten. Kannst du sagen, welche unterschiedlichen Bedeutungen sich in a. und b. ergeben?
a. Primadonna geht gewöhnlich samstags feiern.
b. Primadonna geht samstags gewöhnlich feiern.