Ein unsichtbarer Junge, ein Mädchen, das fliegen kann und ein Kind, so stark wie ein Bär – die Kinder aus der Gute-Nacht-Geschichte seines Großvaters können nicht real sein, oder doch? Dass sein Opa von etwas Übernatürlich ermordet worden zu sein scheint, nimmt Jacob zum Anlass, sich auf die Suche nach der Insel zu machen, auf der die wundersamen Waisenkinder angeblich leben sollen, doch etwas Gefährliches ist dem besonderen 16-Jährigen auf der Spur.
Es ist insbesondere die Aufmachung des Buches, das „Die Insel der besonderen Kinder“ zu einem besonderen Leseerlebnis macht. Die Grundspannung, die der Lektüre eigen ist, rührt zu einem Großteil von den unheimlichen Fotos her, um die der Autor seine Geschichte gestrickt hat. Die mysteriösen alten Bilder verleihen der zunächst sehr bunt anmutenden, einfach formulierten Teenager-Geschichte einen rätselhaften Unterton. Der Leser schwelgt ab der ersten Zeile in der Erwartung des unerklärbar Düsteren. Umso interessanter ist es, dass der Kinofilm dieselbe Geschichte erzählt, ohne die Magie der Bilder, aber auf ähnlich düstere Weise.
Ich starrte in Augen, die in einer dunklen Flüssigkeit schwammen, pechschwarze Hautfetzen hingen lose an der buckligen Gestalt, der Mund stand auf groteske Weise offen, sodass sich ein Haufen langer, aalförmiger Zungen herausschlängeln konnte.
Düster, bildgewaltig, besonders
Stimmungsvoll, so lässt sich die Verfilmung wohl am besten beschreiben – Burton sei Dank! Die Verfilmung bietet dem Auge einiges und wurde mit viel Liebe zum Detail für die große Leinwand aufbereiten. Soo steigt beispielsweise ein gesunkenes Schiffswrack, das im Buch gar nicht existiert, bildgewaltig an die Wasseroberfläche. Sehenswert ist auch die im Film spürbar aufgemotzte Emma, die anders als im Buch nicht etwa nur graziös in die Luft steigen kann, sondern ihr Element komplett beherrscht, Gegner zu Boden pustet und unter Wasser für Atemluft sorgt.
Wie so vielen verfilmten Romanfiguren mangelt es trotz neuer Raffinessen auch den besonderen Kindern an Charakter. Zwar scheinen auch im Buch nicht alle Kinder zu Ende gedacht. Insbesondere Jacob aber wirkt im Roman weniger farblos und glänzt beispielsweise durch eine ordentliche Portion Selbstironie.
Ich kam mit den fadenscheinigsten Ausreden ständig zu spät, gab zu wenig Wechselgeld heraus, räumte Ware absichtlich in die falschen Regale, stellte Lotionen zu Abführmitteln und Verhütungsmittel zu Babyshampoo. Selten hatte ich so hart an etwas gearbeitet, aber wie inkompetent ich mich auch anstellte, Shelley strich mich nicht von der Gehaltsliste.
Achtung, Leser – Spoileralert!
Einen großen Vorteil hat die Verfilmung allerdings gegenüber dem ersten Teil von Ransom Riggs Erstlingswerk: Glücklicherweise werden wir nicht aus dem Kinosaal entlassen, wenn es gerade am Schönsten ist. So nämlich ergeht es einem mit der Lektüre: Mitten in der Geschichte, so scheint es, endet das Buch. So komisch es auch klingt, für Leser mag die abgeschlossene Handlung des Films ein Ärgernis sein. Zumindest, wenn sie den zweiten Teil noch nicht zur Hand genommen haben, werden sie es nach dem Filmgenuss eventuell auch nicht mehr tun – zu viel ist schon verraten.
Fazit – „Die Insel der besonderen Kinder“
Schade um den gewitzten Protagonisten und die geheimnisvollen Bilder, die beim Lesen die Phantasie beflügeln. Was die Stimmung betrifft, kann Burtons bildgewaltige, düstere Verfilmung aber erstaunlich gut mithalten und ist vor allem anders als der erste Roman der dreiteiligen Bestseller-Reihe rund und abgeschlossen.