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Das Warten hat ein Ende: Endlich könnt ihr die Siegergeschichte unseres Kurzgeschichten-Schreibwettbewerbes „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ selbst lesen und die Gewinnerin Silke Brandt im Interview kennen lernen.

 

Hallo liebe Silke, möchtest du dich vielleicht kurz vorstellen?

Das mache ich mal ganz offiziell: Geboren 1967 in Wiesbaden, habe Anglistik, Kunstgeschichte und Politologie in Berlin studiert. In Marketing, Kulturmanagement und als Filmrezensentin gearbeitet. 2008 umgesiedelt nach Helsinki. Dort Übersetzerin, freie Journalistin für u.a. Helsinki Times. Seit 1995 Co-Leitung und Mitarbeit bei Film- und Kulturfestivals, z.Z. Koordinatorin des Helsinki Refugee Film Festivals. Essays und gerade eine erste Kurzgeschichte veröffentlicht beim Konkursbuchverlag (Mein heimliches / lesbisches Auge, Konkursbücher), sowie in Projections #15 der European Film Academy.

 

Wie kommt man denn von Finnland auf die Ausschreibung unserer Online-Redaktion „Buchbesprechung“? Nimmst du häufiger an solchen Wettbewerben teil?

Mein Finnisch ist nicht gut genug, um es bei einer einheimischen Ausschreibung zu versuchen. Nein, ich hatte es noch nie probiert, nun fast gleichzeitig Texte bei drei Ausschreibungen eingereicht – und dies war die erste Rückmeldung. Eine tolle Bestätigung.

 

(Zum Warmwerden) „Fällt“ denn bei dir der „Apfel nicht weit vom Stamm“?

Jein. Ich würde nicht sagen, dass ich das Leben meiner Eltern nachlebe – das wird ja oft mit diesem Sprichwort verbunden. Aber meine Familie hat mich sehr geprägt: von meiner Mutter habe ich die Liebe zur Natur, Kino, Literatur und ‚persönlichen Freiheit’, von meinem Vater einen Tick mit jüngerer russischer Historie und Kultur. Dann ist meine Familie sehr mobil – keiner lebt an dem Ort, and dem sie oder er geboren wurde, oder ist am Geburtsort begraben. Einen Monat bevor ich nach Finnland übersiedelte, zog meine Cousine von Minnesota nach Hawai’i – insofern haben wir trotz unterschiedlichster Ansichten und Lebensentwürfen partiell ähnliche Biographien.

 

Was ist dein Bezug zur Literatur?

Sie war immer Teil meines Lebens, von Kindheit an. Meine Mutter hatte schon damals weit über tausend Bücher – alles außer Liebesromane. Ich habe Shakespeare neben meinen Jugendbüchern gelesen; es gab auch immer Gespräche über Bücher, Filme, Psychologisches, ganz entspannt und beiläufig. Wenn ich versuche, selbst Literatur zu schaffen, möchte ich dabei etwas Neues lernen und Dinge erzählen, die ich so noch nicht gelesen habe. Anders als journalistisches Schreiben ist es eine schöne Möglichkeit, zu experimentieren, sich formell und stilistisch auszuprobieren.

 

Hast du einen absoluten Lieblingsautor und/oder ein Buch, das dir so wichtig ist, dass du es jedem empfehlen würdest? Warum dieser Autor und/oder dieses Buch?

Arkadi und Boris Strugatzki: Das Märchen von der Troika, veröffentlicht in zwei Büchern: Montag beginnt am Samstag und Troika. Die Mischung aus Science Fiction und Magischem Realismus ist ungewöhnlich, die Bücher haben irrwitzige Einfälle, absurden Humor, Philosophisches, aber eben auch eine deutliche Kritik an der Bürokratie – ich liebe es, wenn phantastische Literatur mehr als nur Eskapismus und Genreformeln bietet. Wer Aktuelleres mag, würde ich Dmitry Glukhovskys „Metro 2033″ empfehlen, aus ähnlichen Gründen.

 

Was liest du gerade?

Luther Blissett: Q. Und nicht zum ersten Mal. Der Roman eines italienischen anarchistischen Autorenkollektivs über Bauernkriege und Wiedertäuferbewegung.

 

Das Motto, das wir vorgegeben haben, war ja nun „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“. Hat dich aber noch etwas Bestimmtes beim Schreiben beeinflusst oder inspiriert? Oder hast du einfach drauf losgeschrieben?

Drauf losschreiben geht bei mir gar nicht, ich brauche immer Strukturen (auch außerliterarische), die sich aus dem Thema und Figuren ergeben. Dies war ursprünglich eine Idee zu einem längeren Stück, bei dem es um eine Wissenschaftlerin mit Sozialphobie gehen sollte, um Reibung, Gefühlskälte. Santtu war als Parallelfigur gedacht. Dann bin ich an der Übertragung der Recherche (Physik/Chemie) auf den Plot gescheitert und habe die Gelegenheit genutzt, Santtus Geschichte isoliert zu erzählen. Inspiriert hat mich teils Autobiographisches – ich habe vor kurzen durch neugefundenen Kontakt zu meinem Onkel erfahren, dass meine Großmutter Polin war, dem Namen nach vermutlich kroatischer Herkunft. Mir und meinem Vater gegenüber hatte sie das stets verleugnet – daraus habe ich hier die Geschichte um Santtus Vater gestrickt, die unsichere Herkunft. Und die( nicht-biographische) Idee, dass mein Protagonist im Erwachsenenleben Gefühlskälte und Konfliktvermeidung seines Vaters unbewusst nachlebt – ich wollte eine negative Interpretation des meist als Lob verwendeten Apfel/Stamm-Motivs.

 

Die Charaktere in deiner Geschichte und die genannten Orte bewegen sich vor allem in den baltischen Staaten bzw. allgemein in Osteuropa. Hast du eine besondere Verbindung zu diesen Orten? Woher entspringen deine Santtus und Evgenyas?

Ich habe lustigerweise den Russlandtick von meinem Vater, zu dem seit langem kein Kontakt mehr besteht; allerdings sind diese Regionen naheliegend, wenn man in Finnland wohnt. Und nicht so exotisch, denn hier werden kulturelle Verbindungen zu süd/östlich gelegenen Ländern viel stärker betont und gelebt. Osteuropäische Phantastik ist sehr kritisch, innovativ, philosophisch – da ich das als Vorbild nehme, ist es sinnvoller, die Geschichten auch in entsprechenden Regionen anzusiedeln. Dann möchte ich über Dinge schreiben, die mir nicht so vertraut sind, wie etwa meine Heimat Deutschland – ich möchte beim Schreiben nicht nur stilistisch, sondern auch inhaltlich etwas lernen. Hinter meinen Geschichten liegt fast absurd intensive Recherche, die dann nur zu einem kleinen Teil direkt im Text wiederzufinden ist. Meine Protagonisten werden ähnlich bestimmt wie das Setting: Ich nehme kleine Dinge meiner Biographie oder Persönlichkeit, und versuche, beim Schreiben hinter Beweggründe und Motive zu kommen. Angenehme wie unangenehme Seiten. Andererseits haben meine Figuren auch vieles, das mir völlig fremd ist – ich möchte versuchen, die Dinge mit anderen Augen zu sehen, durch eine Figur mir fremde Weltsichten zu erforschen.

 

Wird dein Protagonist jemals seinen Vater finden?

Nein. Würde der Protagonist nicht rein biologisch bedingt einen Vater brauchen, könnte man diesen als reine Fiktion sehen, aus der jeder etwas anderes dreht und die bei verschiedenen Personen völlig gegensätzliche Erinnerungen und Gefühle auslöst. Die Ukraine wird auch nur eine Zwischenstation sein.

 

Du hast z. B. bereits eine Veröffentlichung im Konkursbuch Verlag. Können wir in der Zukunft von dir als Schreiberin wieder etwas erwarten? Arbeitest du vielleicht bereits an etwas Größerem?

Ich habe gerade eine Kurzgeschichte beendet, eine sehr düstere Dystopie, mal schauen, ob ich die irgendwo unterbringen kann. Dann schreibe ich bis Jahresende einen Roman für den konkursbuch Verlag. Wir haben uns geeinigt auf einen Mystery-Thriller/Schauerroman. Es geht um eine erotische Beziehung zwischen einer Frau, die sich im Unklaren über ihre Identität und Vergangenheit ist, zu zwei Personen: einem seltsamen, weiblichen Körper in einem Keller und zu einem Ikonenmaler. Dabei möchte ich Sexualität neu zu erzählen – explizit, aber abstrakt. Es gibt aber auch einen ernsten Hintergrund: stalinistischer Terror und als perspektivlos aufgegebene Dörfer in Karelien. Auch hier versuche ich, mit außerliterarischen Strukturen zu experimentieren. Die Sache wird weniger chaotisch, als es klingen mag – meine Entwürfe klingen immer so, weil ich vieles Unterschiedliche in Texten zusammenführen möchte.

 

Möchtest du noch etwas loswerden an die anderen Teilnehmer des Wettbewerbes, an deine Familie/Freunde oder an die Welt da draussen?

Ich bin da bescheiden, große Worte würde ich – auch nur vielleicht – bei einem veröffentlichten Roman wagen. Ein Tip nur: An Eltern, ihre Kinder zu bestärken und sie zu unterstützen, denn so etwas bringt später die nötige Freiheit, sich an Kunst, Literatur oder Musik zu versuchen. An andere Schreibende: sich treu zu bleiben und Neues zu versuchen, anstatt oft begangene Wege zu beschreiten. Ob es Erfolg bringt, kann niemand sagen, aber man lernt dabei zumindest für sich selbst etwas.

 

Und hier geht’s zur Siegergeschichte „Fremder Vater“. Viel Spaß beim Lesen!

 

Auf Anjas Speisekarte stehen überwiegend alte Schinken aus vergangenen Jahrhunderten: gut abgehangen, manchmal etwas zäh, doch immer eine vollmundige Angelegenheit. Dazu gönnt sie sich ab und zu ausgesuchte Tropfen der aktuellen Literaturlese: mal trocken-humorig, mal feinherb-gesellschaftskritisch. In ihrer Rubrik Litopian Life geht es um alles, was das Leben als Büchernarr (noch) schöner macht. Manchmal schauen hier auch prominente Bücherfreunde vorbei um von ihren Reisen durch das bunte Universum der Literatur zu berichten.

One Comment

  1. […] erste Wettbewerb fand unter dem Thema „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ statt. Unter den vielen Teilnehmern, darunter überraschenderweise einige Grundschulgruppen mit […]

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