Adjektive sowie auch Adverbien sind kraftvolle Werkzeuge für Autoren. Sie helfen uns, die Welt zu spezifizieren und auf Details aufmerksam zu machen. Viele Leser nehmen Adjektive als hübsch oder elegant war und so ist es kaum verwunderlich, dass junge Autoren sehr gerne davon Gebrauch machen. Doch Adjektive sind keine gewöhnlichen Schreibtischutensilien, sondern hochkomplexe, grobe Maschinerien, die einiges an Expertise benötigen, um damit filigrane Gefüge zu konstruieren. Genug Grund, in die Welt der Adjektive und Adverbien tiefer einzutauchen.
Was sind Adjektive und Adverbien?
Adjektive
Adjektive beschreiben Gegenstände, Dinge, Personen oder allgemein Entitäten. Sie fügen quasi eine Eigenschaft zu Nomen und Pronomen hinzu: der hölzerne Tisch sagt uns also, es geht um etwas, das ein Tisch ist und die Eigenschaft hat, hölzern zu sein. Mit solchen Modifikatoren können wir immer neue Eigenschaften hinzufügen. Der Effekt dessen ist, dass die Menge der möglichen Tische immer kleiner wird, weil der gemeinte Tisch immer genauer spezifiziert wird. Schauen wir uns den Effekt am Beispiel an:
[toggle title=“Wie Adjektive Mengen eingrenzen“]In einem Möbelhaus stehen zahlreiche Tische zur Auswahl. Der Junge sagt am Telefon: „Ich will den hölzernen Tisch.“ Die Mutter schaut sich an die 20 hölzerne Tische an und ist ratlos. Der Junge versucht es noch einmal: „Ich will den runden, hölzernen Tisch.“ Jetzt geht die Mutter in eine Ecke mit ausschließlich runden Tischen, doch es gibt mehrere, die aus Holz sind. Der Junge gibt nicht auf: „Der schwarze, runde, hölzerne Tisch.“ Letztendlich steht die Mutter vor zwei Tischen, die auf diese Beschreibung passen. Sie fragt: “ Der schwarze, runde, hölzerne Tisch mit den Glasbeinen oder der mit den Holzbeinen?“ Es ist der mit den Holzbeinen. [/toggle]
Hier sieht man auch, dass Präpositionalphrasen dieselbe Funktion erfüllen wie Adjektive. Sie grenzen die Menge ein, spezifizieren also genauer. Adjektive treten in zwei Konstruktionen auf:
- pränominal: also vor dem Nomen (der gelbe Blumentopf)
- prädikativ: das bedeutet in einem ist-Satz (der Blumentopf ist gelb; der Blumentopf, der gelb ist)
Adverbien
Adverbien sind das Pendant zu Adjektiven, aber beziehen sich auf Verben. Sie spezifizieren eine Aktion oder einen Vorgang näher, können also angeben, wie schnell, wie häufig oder wann etwas passiert ist: ich esse langsam enthält die zwei Informationen, dass der Sprecher Nahrung zu sich nimmt und dass er dies auf langsame Weise tut. Adverbien und Adjektive können dieselbe Form haben, sie werden allein durch ihre Verwendung unterschieden (der langsame Esser vs. isst langsam).
Die Funktionsweise der Adverbien ist dieselbe wie bei den Adjektiven. Ein Verb bezeichnet eine Menge von möglichen Aktionen (schnelles essen, lansames essen, vorbildlich essen etc.) und das Adverb grenzt ein, welche Aktion aus der Menge der Aktionen des Essens gemeint ist.
Destruktive Verwendung
Wie in vielen unserer SchreibTipps beschrieben, ist weniger oft mehr. Eine Geschichte braucht Raum zum Atmen, von daher ist es nicht ratsam, die Dinge so genau wie möglich zu beschreiben. Bei dem schwarzen, runden, hölzernen Tisch haben wir die Notwendigkeit, einen Tisch zwischen vielen zu finden. Hier bedingt die Notwendigkeit die Verwendung von Modifikatoren. Wenn wir das aber in einer Geschichte überall machen würden, sähe jeder Satz wohl so wie im Folgenden aus. Aus der einfachen Handlungsbeschreibung Piä setzte sich und nahm sich ein Croissant wird dann:
[toggle title=“Zu genau (Adjektive kursiv, Modifikatoren unterstrichen)“]Piä setzte sich schwungvoll an den eckigen, schwarzen Tisch mit den hölzernen Beinen und nahm sich prompt ein krosses, goldgebräuntes Croissant, das an den Seiten leicht geschwungen war, aus dem aus Bast geflochtenen Brotkörbchen in der linken Ecke des eckigen Tisches gleich neben der durchsichtigen Butterdose, in der eine halb verputzten Butter wartete.[/toggle]
Hier sind die meisten Modifikatoren unterstrichen, wodurch ersichtlich wird, dass der Satz vollgestopft ist mit Zusatzinformationen, die für die Handlung und sehr wahrscheinlich auch für die Geschichte keinen Mehrwert haben. Das Wichtigste erscheint also, Modifikatoren wie Adjektive und Adverbien nur dann zu verwenden, wenn es für die Geschichte notwendig wird. Im Folgenden ist eine Variante des Satzes, der sich um einen Kompromiss bemüht:
[toggle title=“Kompromiss (Adjektive kursiv, Modifikatoren unterstrichen)“]Piä ließ sich in den Stuhl fallen und nahm sich ein goldgebräuntes Croissant aus dem Brotkörbchen.[/toggle]
Es bleibt ein Adjektiv übrig, über dessen Notwendigkeit man sich auch streiten könnte. Sagen wir einmal, es soll die positive Stimmung in der Atmosphäre des Frühstücks hervorheben. Das Adverb schwungvoll lässt sich dagegen nur schwer rechtfertigen, es klingt überzogen, hochtrabend und unnatürlich für die Situation und ist besser ersetzt durch eine bessere Beschreibung der Aktion mit einem besseren Verb. Für den Rest der ausgelassenen Modifikatoren vertrauen wir darauf, dass sich der Leser das Bild, die Situation selbst gut genug ausmalen kann – damit regen wir die Fanatasie des Lesers an und beziehen ihn aktiv in die Geschichte mit ein, mehr als Partner denn als untätiger Zuhörer.
Weitere Beispiele, in denen schöne Adjektive/Adverbien einen Satz nicht schöner machen können, weil ihnen an Substanz fehlt, wenn im Verb oder in der Situation alle Merkmale und Emotionen schon enthalten sind. Modifikatoren sind dann sinnvoll, wenn ihre Zusatzinformation nicht anderweitig erschlossen werden kann und sie der Story nutzt:
- Zwei Liebende sitzen auf der Bank: Er flüsterte ihr liebevoll ins Ohr.
(Ist es wahrscheinlich, dass er ihr hier ins Ohr flüstert und das nicht liebevoll ist?) - Er stotterte zögerlich.
(Das „zögerlich“ scheint hier vollkommen redundant.) - Sie raste hastig durch das Zimmer.
(Wieder steckt in „rasen“ alles drin.) - Die Sirene der Feuerwehr schallte laut durch die Stadt.
(Gibt es auch leise Sirenen? Kann etwas „nicht laut“ schallen?) - Das laute Getöse
(Ein Getöse kann ich mir nur laut vorstellen.) - In dem dunklen Keller
(Man kann wohl davon ausgehen, dass der Keller standardmäßig dunkel ist. Wenn er gleißend hell ist, dann wäre das spektakulär und beschreibenswert.)
Andersherum kann man auch sehen, dass ein guter Satz nichts hinzugewinnt, wenn man ihn mit unnötigen Adjektiven anreichert. Sie werden dem Leser viel schneller auffallen, ob positiv oder negativ, daher ist Vorsicht angemessen. Wie Mark Twain schon sagte: „As to the Adjective: when it doubt, strike it out“.
[toggle title=“Ein Vergleich: Adjektiv vs. Simpel“]Original: Ein seltsames Ereignis, ein unerklärtes, und eine unerklärbare Naturerscheinung, die sich im Jahre 1866 begab, ist ohne Zweifel noch unvergessen. Nicht allein die Bevölkerung der Hafenstädte war durch Gerüchte beunruhigt, im Binnenlande der öffentliche Geist aufgeregt, besonders die Seeleute gerieten in Bewegung.
Mit zu vielen Adjektiven: Ein außerordentliches, seltsames Ereigniß, ein unverständliches, unerklärtes, und eine unerklärbare, unglaubliche Naturerscheinung, die sich im Jahre 1866 begab, ist ohne Zweifel noch für eine lange Zeit unvergessen. Nicht allein die unwissende Bevölkerung der dicht aneinandergereiten Hafenstädte war durch unheimliche Gerüchte äußerst beunruhigt, im Binnenlande der öffentliche Geist dramatisch aufgeregt, besonders die sonst so starken Seeleute gerieten in hektische Bewegung.
aus: Jules Verne: Zwanzigtausend Meilen unter’m Meer [/toggle]
Oftmals sind Adjektive und Adverbien der bequeme Ausweg. Stattdessen sollte man sich als Autor bemühen, kreative neue Wege zu finden, etwas mitzuteilen.
Elegante Handwerkskunst
Zahlreiche Autoren haben die Kunst der Modifikation gemeistert. Hier ein paar Beispiele:
[toggle title=“Alexandre Dumas (der Ältere): Der Graf von Monte Christo„]Herr Danglars war ein Mann von fünf- bis sechsundzwanzig Jahren, hatte ein finsteres Aussehen und war unterwürfig gegen seine Vorgesetzten, aber unwirsch wider seine Untergebenen, und außerdem, daß sein Titel »Rechnungsführer« an sich schon einen üblen Klang für die Matrosen hatte, betrachtete ihn die Mannschaft mit einem ebenso bösen Auge, wie sie mit Liebe auf Edmond Dantes blickte.[/toggle]
Bei „Der Graf von Monte Christo“ benutzt in dem ganzen Absatz 5 Adjektive, die einen Mann charakterisieren, aber anstatt sie aneinanderzureihen (Herr Danglars war ein fünf- bis sechsundzwanzig Jahren alter, unterwürfiger, unwirscher, übler, böser Mann.) werden die Beschreibungen in einen Kontext verpackt. So geben die Adjektive wesentliche Informationen zum Umfeld von Herr Danglar mit, die Tiefe bringen.
[toggle title=“Paul Heyse: Barbarossa„]Als er aber die Thür zum Salon aufmachte, blieb er regungslos an der Schwelle stehen, so versteinerte ihn, was er sah. Der Mond schien taghell zum Balkon und den beiden Fenstern herein und blitzte auf den Gewehrläufen in der Ecke. Mitten im Zimmer aber, den Rücken gegen den Mond gekehrt und starr wie eine Bildsäule, mit gekreuzten Armen das Bild der Erminia betrachtend, stand Domenico Serone, der Rothe. Er verdiente den Spitznamen freilich nicht mehr. Den Bart hatte er abgeschnitten, das verwilderte Haar schien aschfarben gegen den alten gelben Strohhut, der ihm das Gesicht verschattete, so daß der Andere nur das Weiße im Auge schimmern sah. Aber er hatte ihn auf den ersten Blick erkannt.[/toggle]
Paul Heyse bedient sich nicht nur Adjektiven und Adverbien, sondern stellt auch Vergleiche und Metaphern auf, die gleich auf mehreren Ebenen agieren. Die Art wie er aber die Adjektive benutzt, ist meisterhaft. Der Mond ist nicht einfach hell, er ist „taghell“, viele Modifikationen verstecken sich außerdem in Verben („versteinerte“, „blitzte“, „verschattete“, „schimmern“). Dann sind die Adjektive sinnvoll, z. B. ist der Strohhut nicht ohne Grund alt, sondern es spiegelt das heruntergekommene Aussehen des Serone wieder. Die Gegenstände werde elegant verwendet, um Charaktere und Handlungen wiederzugeben, ohne dass sie übermäßig beschrieben werden müssen.