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Vor drei Wochen hat unsere Redaktion einige Beispiele für die Enneagramm-Typen 1-4 aus der Literatur herausgesucht. Heute sind die Typen 5-9 an der Reihe.

 

5. Die Denker

Die Fünfen müssen mit einer bedrohlichen, irrationalen Welt fertig werden. Sie beobachten, sind kühl, und mental überlegen. Sie misstrauen Gefühlen und sind daher oft allein.

 

Alex von Anthony Burgess‘ „Clockwork Orange“

Alex wächst in einer unschönen Zukunft auf und wegen seiner Intelligenz ist ihm das schrecklich bewusst. Er bewältigt das Leben, indem er anderen Leid zufügt, und dabei fünfer-typisch cool bleibt. Eigentlich ist er allein, erfährt viel Schreckliches, aber überlebt mithilfe seines kühlen Köpfchens.

Das Staatsgefängnis war in einer sehr finsteren Gegend der Stadt, aber so malenkige Imbißstuben für die werktätige Bevölkerung gab es überall, und bald hatte ich eine gefunden. Sie war sehr dreckig und stinkig, mit einer nackten Glühbirne an der Decke, deren Licht vom Fliegenkot etwas gedämpft wurde. Frühschicht-Rabotter schlürften ihren Tschai, mampften unappetitliche Würste mit viel Klepp herunter und krietschten nach mehr. Bedient wurden sie von einer sehr schmuddeligen Dewotschka, aber mit äußerst bolschigen Grudis am Leib, und manche von den mampfenden Fecken grabschten mal hin, machten hahahah, und die Dewotschka machte hihihih, und mir, Brüder, wurde fast übel bei dem Anblick. Aber sehr höflich und mit meinem Gentlemansgoloß bestellte ich Tschai, Toast und Marmelade und setzte mich damit in eine dunkle Ecke. (Burgess/Krege 1993:155f)

 

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Der Prototyp des klugen Beobachters und Denkers ist sicherlich Sherlock Holmes. Zahlreiche Beispiele belegen seine einzigartige Fähigkeit Details zu erkennen und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen. In „Ein ganz einfacher Fall“ sehen sich Holmes und Watson nach längerer Zeit zum ersten Mal wieder. Holmes genügt ein kurzer Blick auf Watson, noch während die beiden auf der Türschwelle stehen, um über den aktuellen Stand der Dinge informiert zu sein.

“Hum! You still smoke the Arcadia mixture of your bachelor days then! There’s no mistaking that fluffy ash upon your coat. It’s easy to tell that you have been accustomed to wear a uniform, Watson. You’ll never pass as a pure-bred civilian as long as you keep that habit of carrying your handkerchief in your sleeve.“

Dass Watson beruflich unter Stress steht, liest Holmes allein an seinen Schuhen ab.

“I see that you are professionally rather busy just now,” said he, glancing very keenly across at me. “Yes, I’ve had a busy day,” I answered. “It may seem very foolish in your eyes,” I added, “but really I don’t know how you deduced it.” Holmes chuckled to himself. “I have the advantage of knowing your habits, my dear Watson,” said he. “When your round is a short one you walk, and when it is a long one you use a hansom. As I perceive that your boots, although used, are by no means dirty, I cannot doubt that you are at present busy enough to justify the hansom.” “Excellent!” I cried.

Auch die 5er-typische emotionale Distanz ist bei Sherlock Holmes zweifelsohne erkennbar. Sich auf soziale Beziehungen einzulassen fällt ihm sichtlich schwer und die Anzahl seiner Freunde ist daher, nun ja, sagen wir mal, überschaubar.

 

6. Die Loyalen/Ängstlichen

Die Sechsen sind einerseits ihrer Außenwelt gegenüber sehr misstrauisch eingestellt, andererseits sind sie auch sehr loyal gegenüber den Leuten, denen sie dann letztendlich doch vertrauen.

 

Peter Shaw, der zweite Detektiv der bekannten Jugendbuchserie „Die drei Fragezeichen“.

Peter zeigt sehr deutlich einige Wesenszüge des Enneagramm-Typs Nummer 6. Einerseits ist er ein sehr großer Angsthase, der hinter jeder Ecke Phantome, Geister und andere übernatürliche Phänomene wittert, die ihm gefährlich werden könnten:

„Aber wenn wir nun den Gespenstern begegnen? Oder dem blauen Phantom oder sonst einem Geist, der hier umgeht?“

Andererseits ist er seinen beiden Freunden treu ergeben und folgt ihnen überall hin, egal wie sehr er sich fürchtet:

Peter wiederholte ständig, keine zehn Pferde könnten ihn zur Burg bringen, aber als die Zeit zum Aufbruch kam, war auch er bereit. ; Peter konnte seinen Freund nicht allein in ein Haus wie das Gespensterschloß gehen lassen; also folgte er.

(Zitate aus Die drei Fragezeichen und das Gespensterschloss)

 

Rincewind, der Zauberer, eine Romanfigur aus Terry Pratchetts „Scheibenwelt-Romanen“

Allerdings können Sechsen, abgesehen von ihrer Loyalität, auch noch andere Züge aufweisen. Dafür ein weiteres Beispiel. Rincewind verkörpert das Misstrauen und die Ängstlichkeit einer Enneagramm-6. Das zeigt sich bereits in seinem Lebensmotto:

„Ich fliehe, und deshalb bin ich. Oder besser: Ich fliehe, und daher werde ich, mit etwas Glück, auch weiterhin sein.“

Außerdem misstraut er prinzipiell erst einmal jeder Person, die sich ihm auf freundliche Weise nähert:

“I hate it, when people are nice to me. It means something bad is going to happen.” (Zitat aus „Interesting Times (Echt zauberhaft)“ von Terry Pratchett)

 

7. Die Vielseitigen

Menschen des Enneagramm Typs 7 sind normalerweise optimistisch, kreativ und in vielen verschiedenen Disziplinen begabt. Außerdem können sie andere Menschen dadurch motivieren, dass sie ihren Optimismus auf andere übertragen können. All das passt auf den Abenteurer:

 

Odysseus aus der „Odyssee“ von Homer.

Er sagt selbst über sich, dass er für seine listigen Pläne bzw. seinen Einfallsreichtum bekannt ist:

„I am Odysseus son of Laertes, known before all men for the study of crafty designs, and my fame goes up to the heavens.“

Außerdem zeigt er die typische Fähigkeit einer Sieben, mit seinem Optimismus und seinem Enthusiasmus andere anstecken zu können, in diesem Fall seine Mannschaft:

“Dear friends, surely we are not unlearned in evils. This is no greater evil now than it was when the Cyclops had us cooped in his hollow cave by force and violence, but even there, by my courage and counsel and my intelligence, we escaped away. I think that all this will be remembered some day too. Then do as I say, let us all be won over.”

 

Holly Golightly aus „Frühstück bei Tiffany“ von Truman Capote

Andererseits können die Charakterzüge des Typs 7 auch dazu führen, dass jemand rastlos wird und von einem flüchtigen Glücksgefühl zum nächsten springt und niemals irgendwo verharren kann, da jede feste Entscheidung dazu führen könnte, dass man etwas noch schöneres verpasst.

Das wird sehr anschaulich verdeutlicht durch einige ihrer Aussprüche:

„Ich werde mich nie an irgendwas gewöhnen. Alle, die’s tun, könnten genauso gut tot sein“

„Ich möchte nichts besitzen, bis ich weiß, ich habe den Ort gefunden, wo ich und das ganze Drumherum zusammen gehören. Ich bin mir noch nicht sicher, wo das sein wird. Aber ich weiß, wie es sein muss“

„Schließlich, was weiß ich, wo ich morgen wohnen werde?“

 

8. Die Anführer/Herausforderer

Die Achten sind dominant und mögen physikalische Auseinandersetzungen, aber nicht mit Unterlegenen. Beziehungen sind schwierig für sie, aber im Tiefen verbirgt sich ein weiches Herz.

 

Othello aus Shakespeare’s „Othello“

Shakespeare hat sie alle, die Urtypen. Othello ist ein hohes Tier, kämpfte in vielen Kriegen. Als er seine Desdemona findet, misstraut er ihr leichtfertig dank Iago und tötet sie wegen seiner missplatzierten Rechtschaffenheit, woran sein harter Kern schließlich zerbricht.

OTHELLO
Nun, beim Himmel,
Mein Blut beginnt zu meistern die Vernunft,
Und Leidenschaft, mein helles Urteil trübend,
Maßt sich der Führung an; reg ich mich erst,
Erheb ich nur den Arm, dann soll der Beste
Vor meinem Streiche fallen. Tut mir kund:
Wie kam der schnöde Zank? Wer bracht ihn auf?

OTHELLO
Oh, oh, oh, oh!
[Er wirft sich auf das Bett.] Über seine Frau gebeugt.

OTHELLO
Sonst tät es mir auch leid. Du sollst noch leben;
Denn wie ich fühl, ist Tod Glückseligkeit.

 

Miranda Priestly aus Lauren Weißbergers „Der Teufel trägt Prada“

Viele sagen, dass man den Achten eher Männerpositionen zuspricht. Aber die emanzipierte Frau der Welt kann das genauso gut verkörpern. Die Chefin. Miranda hält ihre Angestellten auf Trab, stellt unlösbare Aufgaben und bestraft mit Genugtuung. Wie eine gebürtige Acht liebt sie Konfrontationen. Oft hat sie aber relativ positive Hintergedanken, will Leute zur Höchstleistung treiben. Ein weicher Kern wird aber auch sichtbar: sie gibt zum Ende hin zu, ähnlich wie Andrea angefangen zu haben. Außerdem bemuttert sie ihre Kinder.

Assistentin Andrea Sachs: „Sollte ich sie umbringen? Und wenn ja, würde man mich überführen können? Wäre ich automatisch die Hauptverdächtige? Natürlich nicht, schließlich hätte – zumindest bei Runway – jeder ein Motiv.“

Sachs: „Es war Ihre Majestät persönlich. Miranda Priestly. Meine Chefin.“

 

9. Die Diplomaten

Menschen des Enneagramm-Typs 9 haben ein starkes Harmoniebedürfnis und versuchen Konflikte zu vermeiden. Außerdem sind sie optimistisch und kommen mit den meisten ihrer Mitmenschen gut zurecht. Dadurch sind viele Neunen prädestiniert die Rolle des Vermittlers oder Diplomaten zu spielen.

 

Nathan aus Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“

Ein Positivbeispiel ist Nathan der Weise. Als er (jüdischen Glaubens) vom Sultan Saladin (islamischen Glaubens) gefragt wird, welche der drei großen Weltreligionen er denn vorzöge, antwortet er mit einer Geschichte, die als „Ringparabel“ bekannt wurde. Die Kernaussage dieser Geschichte ist der Toleranzgedanke, also dass es Nathan als Einzelnem nicht zustünde, darüber zu urteilen, welche der drei Religionen die „Beste“ sei. Mithilfe dieses Gleichnisses schafft es Nathan die Frage des Sultans indirekt zu beantworten, ohne diesen zu beleidigen oder sich selbst zu diskreditieren. (Interessierte finden den Textauszug der Ringparabel hier.)

 

Marcel Proust in „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“

Im Negativfall sind Neunen die typischen Mitläufer, die zu allem Ja sagen, da sie auf diese Weise Konflikte zu vermeiden suchen. Eine weitere charakteristische Schwäche sind Faulheit und darauf zurückzuführendes Verharren im Jetzt-Zustand, auch wenn eine aktive Änderung zum Positiven möglich wäre.

Die Prokrastination, die wunderbare Eigenschaft des Hinauszögerns, die sicher den meisten Lesern in mehr oder weniger großem Ausmaß bekannt vorkommen wird, ist im Hauptwerk von Marcel Proust ausführlich dargestellt.

Wäre ich weniger entschlossen gewesen, mich endgültig an die Arbeit zu begeben, hätte ich vielleicht einen Vorstoß gemacht, gleich damit anzufangen. Da aber mein Entschluss in aller Form gefasst war und noch vor Ablauf von vierundzwanzig Stunden in dem leeren Rahmen des morgigen Tages meine guten Vorsätze leichthin sich verwirklichen würden, war es besser, nicht einen Abend, an dem ich weniger gut aufgelegt war, für den Beginn zu wählen, dem die folgenden Tage, ach! sich jedoch leider ebenfalls nicht günstiger zeigen sollten. Aber ich riet mir selbst zur Vernunft. Von dem, der Jahre gewartet hatte, wäre es kindisch gewesen, wenn er nicht noch einen Aufschub von drei Tagen ertrüge… Unglücklicherweise war der folgende Tag auch nicht der den Dingen zugewendete, aufnahmebereite, auf den ich fieberhaft harrte. Als er zu Ende gegangen war, hatten meine Trägheit und mein mühevoller Kampf gegen gewisse innere Widerstände nur vierundzwanzig Stunden länger gedauert. Und als dann nach mehreren Tagen meine Pläne nicht weiter gediehen waren, hatte ich nicht mehr die gleiche Hoffnung auf baldige Erfüllung…

Damit hätten wir unsere Enneagramm-Protagonisten-Versuchsreihe vollständig. Hoffentlich hat es euch genauso viel Spaß gemacht wie uns.

Hinter der Vielfalt seines Bücherregals verbirgt sich eine Sympathie für Werke entsprungen aus den Genres Fantasy, Sci-Fi, Horror und Gesellschaftskritik. Als geneigter Leser wandelt Nico zwischen der LitWelt und SchreibWelt. In letzterer tradiert er seine Erfahrungen als Lektor, Autor und Verleger zur Unterstützung aufstrebender Schriftsteller.

Comments(4)

  1. Eure Schreibtipps sind wirklich sehr inspirierend, der mit dem Enneagramm hat mir besonders gut gefallen. Bitte mehr davon! ^^

      • Nico

      • 7 Jahren ago

      Es freut uns sehr, dass sie Anklang finden. Wir wünschen noch weiterhin viel Spaß auf unserer Seite.

      – dein Litopian-Team

      1. Ich schaue nun in regelmäßigen Abständen bei euch vorbei und suche jedes Mal nach Kommentaren. Aus Gründen, die mir völlig schleierhaft sind, finde ich keine. Ihr leistet hervorragende Arbeit, eure Artikel sind wertvoll und informativ, das Layout übersichtlich und angenehm fürs Auge. Doch wie mir scheint, ist das Publikum undankbar. ^^
        Darum kommt von mir jetzt dankbares, ehrliches Lob – in Form eines Kommentars. Danke für euren wertvollen Beitrag zu einer inhaltsvollen Blog-Landschaft.

          • Nico

          • 6 Jahren ago

          Liebe Sheyla,
          vielen Dank dafür. Es freut uns immer sehr, sowas zu hören/lesen. Dir dann noch weiterhin viel Spaß.
          Viele Grüße,
          Nico vom Litopian-Team

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