Im Jahr 2017 haben wir allen Schreiblustigen verschiedene Aufgaben gestellt. Schauen wir einmal, was dabei herausgekommen ist.
SchreibChallenges
In den SchreibChallenges kämpft jeder für sich. Die vorgestellten Schreibaufgaben können dabei helfen, im Schreibfluss zu bleiben und neue Aspekte der Geschichte zu entdecken. Besonders gut kam die Point-of-View-Challenge vom Juli an. Hier war dieselbe kurze Storyline aus zwei unterschiedlichen Perspektiven zu schreiben. Tolle Umsetzungen haben wir im Folgenden zusammengetragen:
[tabs][tab title=“Manipulation“]Perspektive Athalias:
Was machte ich überhaupt hier? Es war eine unglaublich dämliche Idee von mir gewesen, einfach so einem Fremden zu folgen, von dem ich nichts wusste, der jedoch alles über mich zu wissen schien. Und jetzt stand ich hier, vor einem wunderschönen, aber unbekannten Haus, wusste nicht, wo ich mich befand, da ich die ganze Fahrt verschlafen hatte. Die Panik begann langsam in mir hochzusteigen, sang ihr schauderhaftes Lied, das mir den kalten Schweiß ausbrechen ließ. Während ich mich ängstlich umsah, hatte sich Henry unbemerkt an mich heran geschlichen und starrte mich nun mit einem undefinierbaren Ausdruck an. Seine Augen schienen die Farbe geändert zu haben, waren hell, fast durchsichtig. Einige Sekunden vergingen, in denen er mich einfach anstarrte. Mit seinem gruseligen Blick, einem gefährlichen Lächeln, das sich langsam auf seinen Lippen bildete. Das Fluchtgefühl verstärkte sich, doch ich konnte mich nicht bewegen, war wie eingefroren.
Und dann war alles vorbei. Er blinzelte. Einmal. Zweimal. Und dann wurde sein Lächeln wieder normal, seine Augen hatten wieder die Farbe von jungen Kastanienbaumblättern. Die ganze Atmosphäre entspannte sich, die Wärme der Sonne drang wieder zu ihr.
Perspektive Henrys:
Ich merkte förmlich, wie die Spannung von mir abfiel. Es war wirklich einfach gewesen. Fast schon zu einfach. Menschen waren so simpel gestrickt. Sie zu manipulieren war ein Kinderspiel. Fast war es schon langweilig, so einfach und schnell wie es ging. Doch nur fast. Denn es gab viel zu selten Gelegenheiten, in denen man sich diesen Spaß erlauben konnte und er würde jede nutzen, die sich ihm bot.[/tab] [tab title=“Achterbahn“]
Perspektive 1:
Mein Herz pocht bis zum Hals. Ob er meine Aufregung wohl bemerkt? Er wirkt ganz gelassen auf mich. Er in seiner Lederjacke. Er, der bestimmt schon tausend Mal in so einer Situation war. Wir schauen uns tief in die Augen und ich weiß, dass es gleich so weit sein wird. Wir werden uns zum ersten Mal küssen! Ich schließe die Augen und presse ganz langsam meine Lippen auf seine. Es dauert nur wenige Sekunden und es kommt mir vor, als wäre ich in einer Achterbahn – im freien Fall. Als ich die Augen wieder öffne, lächelt er. Ob er meine Unerfahrenheit wohl bemerkt hat?
Perspektive 2:
Sie hat sich für mich extra zurechtgemacht. Ihr Parfum riecht angenehm blumig und ich mag, dass sie ihr Haar zur Abwechslung mal offen trägt. Was in ihrem hübschen Kopf wohl vor sich gehen mag? Es ist unser zweites Treffen und ich mag sie wirklich gern. Sie wirkt etwas nervös und lächelt ganz verlegen, als sie plötzlich die Augen schließt und mir die Lippen entgegen streckt. Sie formt ihren Mund ganz spitz und unsere Lippen begegnen sich nur wenige Sekunden. Ich muss schmunzeln, denn ich kann ihren Lipgloss auf meiner Unterlippe schmecken.[/tab] [tab title=“Geduld“]Perspektive 1:
Es gibt keinen anderen Ausweg. Hätte es den gegeben, stünden wir jetzt nicht hier. Hastig wische ich meine Finger an der Hose ab, bevor ich den Code eingebe, der die Tür zur Waffenkammer öffnen soll. Ein Summen, ein Piepen, doch nichts passiert. Ich versuche es erneut. 8-4-9-2. Die Tür bleibt zu. Im Flur sind bereits vereinzelte Stimmen zu hören. Die Versammlung ist vorbei. Gleich werden sie hier sein.
»Es funktioniert nicht.« Auch der dritte Versuch scheitert. »Bist du sicher wegen der Zahlen?« Eine Hand legt sich auf meine Schulter und drückt mich zur Seite.
»Lass mich mal.«
Perspektive 2:
Den Code zu besorgen war ein Kinderspiel. Trotz allem genieße ich noch immer eine gewisse Narrenfreiheit in der Gemeinde. Das dürfte sich nach der Versammlung jedoch ändern. Deshalb müssen wir schnell handeln. Der schwierige Teil kommt erst noch. Während Kay sich an der Tür zu schaffen macht, behalte ich die Umgebung im Blick. Sobald die Zusammenkunft vorbei ist, nutzen wir die allgemeine Unruhe um uns aus dem Staub zu machen. Wir werden alles zurücklassen müssen. Doch wir werden frei sein.
»Es funktioniert nicht«, zischt Kay, während er hektisch auf dem PinPad herumtippt.
»Lass mich mal.« Ich schiebe ihn zur Seite. Wir können uns keine weiteren Verzögerungen leisten. Patzt er noch einmal, ist er raus.[/tab][/tabs]
CommunityChallenges
Auch im Team konnten wir uns bewähren. Zahlreiche Schreiber haben sich an den CommunityChallenges beteiligt und gemeinsam eine Story geschrieben. Fokus war jedes Mal eine andere schriftstellerische Expertise. Die entstandenen Micro-Storys lest ihr hier:
[tabs][tab title=“Charakterbildung“]
Es gibt drei Dinge, die absolut nicht in die Wohnung von … Maja gelangen durften. Drei Dinge, deren Anblick es vermochte, ihr in Sekundenschnelle die Laune zu verderben. Neben Orchideen und grünen Knöpfen… , die zugegebenermaßen relativ leicht aus der Wohnung herauszuhalten waren, war die dritte Sache etwas heikler. Die Abneigung gegen diese Sache fand ihren Ursprung an Majas neuntem Geburtstag. Es sollte eine große Feier werden… Obwohl Majas Familie sonst jeden Penny zweimal umdrehen musste, war es ihrer Mutter stets ein Bedürfnis gewesen, wenigstens zum Geburtstag der Kinder einmal größer aufzutischen. Schon morgens roch die ganze Wohnung nach Zimtschnecken und Pancakes… Maja hatte sich gleich nach dem Aufstehen – noch im Pyjama – in den Flur geschlichen und ihre Mutter beobachtet, wie sie in der Küche herum wirbelte und vor sich hin summte. Solche Momente waren selten geworden, seitdem …[/tab] [tab title=“Ortsbeschreibung“]
Die Schatten der Bäume fielen bereits den Abhang hinab, doch das Ende war noch nicht erreicht. Immer weiter hinauf … drängte es die beiden, doch ihre Kräfte ließen nach und ihr Durchhaltevermögen wurde vom Regen weggespült. Unter ihren nassen Füßen . . . knirschten die Kiesel kaum hörbar bei jedem Schritt, durch deren Druck sie aneinander gequetscht wurden. Mark, der einige Meter zurückgeblieben war, versuchte, sie durch das Nebelgeflecht zu erkennen, doch er sah nur die stärker werdende Ströme, die kurz vor ihm aus dem Dunst auftauchten und an seinen Füßen kalt vorbeiströmten. Am Fuß des Berges war es dabei noch … sehr rutschig. “Hoffentlich sind wir bald da. Die Nacht naht und es wird bald dunkel”, dachte Mark. Sein Magen knurrte laut. Schon zwölf Stunden waren sie nun unterwegs. … In der Ferne hörte man das Geschrei von Krähen. Ihr heiseres Krächzen klang wie eine letzte Warnung umzudrehen. Mark suchte den Himmel nach ihnen ab, doch die Nebelschwaden hatten sich wie eine undurchdringliche Kuppel über sie gestülpt. …[/tab] [tab title=“Dialoge“]
“Sieh mal, die Fischer nehmen Kurs auf den Hafen.”
Sein Gefährte folgte seinem Blick: “Bei dem aufziehenden Sturm wäre ich auch nicht länger zur See. Hast du Beth nun gefragt oder nicht?”
“Es gibt viele Fische im Meer, doch nie wird es genug sein, um alle Mäuler zu stopfen. Vor allem nicht so ein gieriges wie deines.” Er seufzte in die Ferne, bevor er den Blick senkte und den eleganten Bewegungen seinen Pferdes zuschaute, denen er sich anpasste wie die seichte Brise an eine sommerliche Wiese. “Wird sie heute Abend wieder bei euch zum Essen erscheinen?”
“Ja, die alte Dame hat sich wieder einmal selbst eingeladen. Nur wegen ihr müssen Jane und Emma den ganzen Tag am Herd stehen. Und ich kann dir jetzt schon garantieren, dass es köstlich sein wird – aber für sie natürlich wieder nicht gut genug. Beth ist wirklich keine einfache Person.”
…
“Sprich nicht zu laut. Wenn dich einer hört, kannst du das Geschäft schon jetzt abschreiben.”
Will schüttelte geringschätzig den Kopf. “Jeder, der Beth kennt, wird mir zustimmen. Sie bezahlt die Männer fürs Arbeiten. Nicht dazu, sie sympathisch zu finden.”
…
„Wirst du das mit dem Jungen zur Sprache bringen?“
„Ich glaube nicht, dass ein Abendessen der richtige Rahmen dafür ist. Nein, das muss ich anders einfädeln.“
„Die Zeit drängt.“
„Das musst du mir nicht sagen.“
„Wenn wir vor Monatsende keine Zusage haben–“
„Ich kümmer mich darum.“ Der Blick, den er seinem Begleiter zuwarf, ließ diesen verstummen. [/tab][/tabs]
Hoffentlich seid ihr im Jahr 2018 wieder dabei. Habt ihr eine Idee oder einen Wunsch für eine neue Übung? Dann schreibt uns!
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